Dienstag, 7. September 2010

Meine Kopfschmerzen traten wieder auf. Ich setzte mich auf den Boden und lehnte meinen Kopf an die Haustür. Der Druck stieg, denn ich wusste nicht wie ich mich zu entscheiden hatte. Sollte ich mit Finn gehen? Was soll ich denn Alice, Jonas und vorallem Mama sagen? Würde ich hier bleiben, hätte ich ein schlechtes Gewissen Finn gegenüber. Aber wenn ich gehe, wären die anderen sicher sehr enttäuscht von mir. Ich wusste nichts mehr. Finn's Vorschlag lies mich einfach nicht locker. Nach langem Nachdenken fasste ich einen Entschluss und wählte Finn's Handynummer.
''Finn? Bist du noch bei dir zu Hause?'' - ''Ja, bin ich. Was ist los?'' - ''Ich komme gleich zu dir. Bis gleich.'' Ohne auf eine Antwort zu warten, legte ich auf. Sofort rannte ich in mein Zimmer und nahm die Sachen raus, die in greifbarer Nähe lagen. Mein Haar war ungekämmt, doch das kümmerte mich nicht. Nachdem ich mein Schlüssel gefunden hatte, verließ ich die Wohnung und machte mich auf den Weg zu Finn.

''Lass uns lieber hier im Treppenhaus bleiben, keine Lust auf meinen Dad.'' - ''Oh, okey.'' - ''Hast du dich entschieden?'' - ''Naja..ich..'' - ''Du kommst mit!'', unterbrach mich Finn. ''..nein.. ja. Ich will so gerne mit dir fahren, Finn..'' - ''..aber?'', setzte er fort. ''..das ist ein echt schlechter Zeitpunkt. Geht es nicht, dass wir übermorgen fahren? Dann können wir das ganze Wochenende zusammen sein. Mama wird das Wochenende mit Nik verbringen.'' - ''Äh, klar.'' Finn klang alles andere als begeistert, aber dafür musste er einfach Verständnis haben. ''Ich rede heute abend nochmal mit ihr, dann sag ich dir Bescheid.'' - ''Okey.'' Ich lächelte ihm aufmunternd zu. ''Ist das in Ordnung für dich?'' - ''Naja, ich hätte dich am liebsten heute schon mitgenommen, aber wenn du das so willst, verstehe ich das.'' - ''Du bist der beste!'' Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. ''Kommst du noch mit zum Hauptbahnhof?'' - ''Ja, klar. Wann willst du denn losfahren?'' - ''Jetzt.'' - ''Oh, na gut. Weiß dein Vater schon Bescheid?'' - ''Ach, der schläft. Der hat bestimmt nicht mal gemerkt, dass ich ein paar Tage nicht zu Hause war.'' - ''Hm.'' Mehr konnte ich da zu nicht sagen. ''Egal, gehen wir?'' Er hielt mir seine Hand hin und ich nahm sie ohne zu zögern an.
Auf dem ganzen Weg war es still um uns. Beide völlig in Gedanken versunken. Am Hauptbahnhof setzten wir uns auf die Bank. ''Wann wird dein Zug kommen?'' Finn schaute auf die Uhr. ''In 19 Minuten.'' - ''Diese 19 Minuten gehören uns.'' Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss meine Augen. Es mussten ein paar Minuten gewesen sein. ''An was denkst du?'', fragte mich Finn. ''Hm, an das Leben.'' - ''Wie ist dein Leben?'' - ''Im Moment unbeschwert, weil ich bei dir bin.'' - ''So ergeht es mir auch.'' Dieser Satz zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Für einen kurzen Moment schien alles perfekt. ''Oh nein, der Zug.'' - ''So schnell?'', sagte ich enttäuscht und wir standen von der Bank auf. Finn umarmte mich fest. ''Ich vermisse dich jetzt schon.'', sagte ich. ''Und ich dich erst.'' Seine Umarmung wurde etwas lockerer. ''Ich liebe dich.'', flüsterte er mir ins Ohr, warf seine Sporttasche über die Schulter und stieg in den Zug. Ich stand noch dort und schaute ihm nach. ''Ich liebe dich auch.'', flüsterte ich. Als der Zug losfuhr stand ich noch dort und schaute ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war. Auf einmal bereute ich, dass ich nicht mitgegangen war. Ich setzte mich wieder auf die Bank. Meine Hände stützten mein Gesicht. Plötzlich spürte ich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren. ''Hallo?'' - ''Luci, ich bin's. Ist alles in Ordnung bei dir?'' - ''Ja, alles super.'' - ''Schön, da bin ich beruhigt. Bist du zu Hause?'' - ''Ja, ich wollte gerade zu Alice gehen. Mir ist langweillig.'' - ''Hm, aber überanstreng dich bitte nicht.'' - ''Nein, nein. Bis heute Abend. Tschüss.'' - ''Tschüss, mein Schatz.'' Gleich nachdem ich aufgelegt hatte, machte ich mich auf den Weg zu Alice.

''Luci!'' Alice drückte mich fest. Es schien ihr wirklich gut zu gehen. ''Schön das du wieder hier bist.'' - ''Freut mich auch dich wieder zu sehen. Ich bin nicht dazu gekommen mich bei dir zu melden. Tut mir Leid.'' - ''Das ist nicht weiter schlimm, aber was hat dich daran gehindert?'' - ''Ach so einiges.'' - ''Erzähl!'' Wir gingen hoch in ihr Zimmer. Zuerst klärte ich sie über das ganze mit Finn und mir auf und dann erzählte ich vom gestrigen Tag. ''Ich war gestern bei Jonas und..'' - ''Du warst schon wieder bei ihm?!'', unterbrach mich Alice. ''Ja, er wollte sich mit mir treffen, aber das spielt keine Rolle.'' - ''Auch noch ein Date?!'' - ''Es war kein Date.'' - ''Ach, was dann?!'' Alice wurde auf einmal völlig aggressiv. ''Alice, was ist los mit dir?'' - ''Nichts, der verarscht dich doch nur.'' - ''Was soll das heißen?'' - ''Merkst du es nicht?'' - ''Was soll ich merken?'' Ich verstand nichts mehr. ''Der will dich doch auch nur ins Bett kriegen.'' - ''Auch? Alice.. sag mir nicht, dass..'' - ''NEIN!'' - ''Wirklich?'' - ''Ja, was denkst du von mir?! Melissa hat mir das erzählt. Er hat ihr solche Hoffnungen gemacht, dass sie sich einfach verlieben musste und er hat ihre Gefühle eiskalt ausgenutzt. Das hat er bei dir auch vor.'' - ''Das wird er niemals schaffen. Ich bin mit Finn zusammen und ich liebe ihn. Nur ihn.'' - ''Das weiß ich doch, aber ich habe nur Angst um dich. Ich meine, er wollte dich abfüllen. Ich hasse diesen Kerl.'' - ''Ach sei nicht so, er ist völlig in Ordnung.'' - ''Naja.'' Das wunderte mich. Alice fand ihn damals doch auch noch so schrecklich nett. Ich wollte nicht länger diskutieren und fing mit einem neuen Thema an. ''Wie weit sind wir eigentlich schon mit deiner Geburtstagsplanung?'' - ''Wir kommen gut voran. Nur noch acht Tage! Ich kann es kaum erwarten.'' - ''Wie wäre es, wenn du Jonas auch einlädst?'' - ''Niemals!'' - ''Ach komm schon, Alice. Du wirst es nicht bereuen. Du weißt doch, dass man super Party machen kann mit ihm.'' - ''Hm, na gut. Aber auf deine Verantwortung!'' - ''Super! Ich ruf ihn gleich mal an und frag ihn.'' - ''Jetzt?'' - ''Na wieso nicht? Dann kann der auch nicht absagen.'' - ''Lieber nicht.'' Ich ignorierte Alice's Aussage. ''Am besten wir gehen jetzt gleich zu ihm!'' - ''Was? Ohne mich!'' - ''Na, dann gehe ich alleine hin und frage ihn.'' - ''Nein, bleib hier.'' - ''Es wird nicht lange dauern.'' - ''Muss es ausgerechnet heute und jetzt sein?'' - ''Ja, muss es. Ich rufe dich nachher an.'' - ''Wie? Kommst du später nicht mehr wieder?'' - ''Nein, ich habe so eben entschieden, dass ich zu Finn fahren werde.''

Als ich draußen war, ging ich gleich nach Hause um Mama Bescheid sagen zu können. Bei Jonas wollte ich mich die Tage melden. Zu Hause sprach ich Mama auf die Mailbox, da sie nicht ranging. Ich erzählte ihr nur die halbe Wahrheit. Anschließend rief ich Finn an. ''Hallo?'' - ''Finn, ich bins.'' - ''Luci, ist was passiert?'' - ''Nein, ich habe mich bloß umentschieden und ich komme mit dir mit.'' - ''Wie kommt es, dass du dich umentschieden hast?'' - ''Mir ist einiges klar geworden. Ich werde gleich den nächsten Zug nehmen.'' - ''Warte, warte. Wir werden aber nicht bei meiner Tante schlafen. Ich werde die Tage bei meinem Bruder wohnen.'' - ''Bei deinem Bruder?'' - ''Ja, in Berlin. Er macht dort sein Studium.'' - ''Oh, wäre es denn in Ordnung für ihn, wenn ich auch komme?'' - ''Klar, ich hab ihm schon so viel von dir erzählt. Er will dich wirklich gerne kennenlernen.'' - ''Dann ist ja gut.'' - ''Du fährst von Gleis 4 ab. Der Zug kommt alle 30 Minuten. Den jetzigen könntest du noch schaffen. Ich warte dann am Banhof auf dich. Du fährst bloß 2 Stationen.'' - ''In Ordnung, bis später.'' - ''Ich freu mich, bis später.'' Zum Glück war die Bank gleich auf dem Weg. Ich räumte mein Konto leer und lief zum Hauptbahnhof. Ich bekam den Zug noch rechtzeitig und setzte mich neben eine ältere Dame. Die Fahrt verging schnell und als ich aus dem Zug stieg lief mir Finn gleich in die Arme. ''So schnell sehen wir uns wieder.'', sagte er und umarmte mich fest. ''Wer hätte das gedacht.'', antwortete ich und vergrub mein Gesicht an seinem Pullover. Finn nahm mir meine Tasche ab und hielt meine Hand. ''In neun Minuten kommt unser Zug nach Berlin. Wir werden keine zwei Stunden fahren und die Tickets habe ich auch schon besorgt.'' - ''Du hast ja an alles gedacht. Müssen wir denn umsteigen?'' - ''Nein, müssen wir nicht.'' - ''Klasse.'' Der Zug kam pünktlich und wir stiegen hinein. Wir setzten uns auf einen Vierer-Platz. Die Bahn war leer, aber das kümmerte mich nicht. Finn nahm seinen iPod aus der Tasche, gab mir einen Stöpsel und lies 'Wonderwall', von Oasis spielen. Mein absolutes Lieblingslied. Er legte seinen Arm um mich und ich schlief direkt ein.

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